KTM EXC TPI 2018: ERSTER FAHREINDRUCK
Saubere Sache: der erste Fahreindruck der KTM EXC TPI-Modelle 2018
Mit Spannung wurden die ersten serienmäßigen Zweitakt-Enduros mit Benzineinspritzung erwartet. Am Dienstag war es endlich so weit und eine internationale Journalisten-Schar durfte am Mekka des Hardenduro, am Erzberg in Österreich, die 250 und 300 ccm Maschinen mit der Benzineinspritzung, bei KTM offiziell als TPI (Transfer Port Injection) bezeichnet, ausführen.
Die technischen Infos zu der Benzineinspritzung findet ihr unter http://dirtbikermag.de/news/ktm-stellt-die-weltweit-ersten-2-takt-enduros-mit-kraftstoffeinspritzung-vor.
Abgesehen von einer etwas härteren WP Xplor Gabel mit einem neuen Aussenrohr bei gleichbleibendem 48 mm Durchmesser hat sich an den Motorrädern vom Chassis, Rahmen, und Bodywork nichts zu den 2017er EXC Modellen geändert. Man konnte sich also voll auf das Wirken der Benzineinspritzung konzentrieren. Aufgesessen, E-Starter gedrückt und schon schnurrte der Motor der 300 EXC, die ich als erstes fuhr. Kein Blubbern störte das Warmlaufen der Maschine. Für kalte Tage steht eine Kaltstartvorrichtung zur Verfügung, die bei der Präsentation jedoch nicht nötig war.
Schon auf den ersten Metern auf einem schmalen mit Steinen und Wurzeln gespickten Singletrail beeindruckte mich, wie weich und sanft die 300er ans Gas ging. Im Vorjahr empfand ich den 300 ccm Motor fast als etwas zu kräftig und favorisierte die 250er. Umso mehr gefiel mir, dass ich jetzt sogar ganz langsam im ersten Gang fahren konnte und das Gas dennoch weich und gefühlvoll einsetzte. Wird es schneller beschleunigt der Motor einwandfrei und gleichmäßig nach oben. Dabei läuft er sehr angenehm leise, leiser als die Vergaser-Variante würde ich behaupten.
Gewöhnungssache?
Ein bisschen muss man sich an die neue Geräuschkulisse beim Fahren gewöhnen. Anfangs hatten viele von uns Journalisten den Eindruck, dass die Maschinen eher auf der mageren Seite laufen, doch ist das wirklich so? Bisher ist man mit einem Vergaser ja immer einen gewissen Kompromiss eingegangen. Mal läuft ein Vergaser-Bike etwas auf der mageren Seite, mal eher auf der fetten. Die meisten bedüsen nicht ständig um. Beim Endurofahren begibt man sich dabei oft noch auf verschiedene Höhenlagen, wodurch sich die Luftdruckverhältnisse ändern und man die Bedüsung eigentlich auch wieder leicht ändern müsste. Die Sensoren der TPI messen alle möglichen Parameter, so dass sie sich auf ändernde Temperaturen und Höhenlagen einstellt, das Bike also immer ideal bedüst ist. Dazu kommt noch die ideale Mischung von Zweitakt-Öl und Benzin, die das TPI System nun auch übernimmt und so zum Teil ein Mischungsverhältnis von 1:80 mixt statt der klassischen 1:40. All das führt dazu, dass wir uns jahrelang an den Sound und das Gefühl von nicht optimal laufenden Motoren gewöhnt haben, dass es einem vielleicht erst einmal etwas merkwürdig vorkommt, einen ideal laufenden Motor zu spüren. Rupert Walkner erklärte dazu: „Auf die Temperatur und Höhe stellt sich die TPI ein, was sie nicht kann, ist sich auf verschiedene Fahrer abzustimmen. Der eine bevorzugt ein eher mager abgestimmtes Bike, andere eher fettere… es kann durchaus sein, dass wir unsere Händler demnächst mit Mappings zum Beispiel für Sportfahrer versorgen, die man sich dann dort aufspielen lassen kann.“
Auf dem Streckenteil, der einer Sonderprüfung glich, hatte ich beim Hochschalten unter Vollast bei kurz gezogener Kupplung immer wieder kurze Aussetzer. Das gleiche passierte auch über Löcher und Wellen, wenn das Hinterrad kurz abhob und frei drehte. Doch im Gespräch mit dem langjährigen Test- und Entwicklungsfahrer Lars Enöckl wurde ich aufgeklärt: der kurze als Wegbleiben empfundene Moment war kein wirkliches Verschlucken, sondern wurde vom einsetzenden Drehzahlbegrenzer erzeugt, der dafür sorgt, dass der Motor nicht so hoch dreht, dass es für ihn brenzlig werden könnte. Mit diesem Wissen experimentierte ich später etwas weiter. Tatsächlich fiel die Drehzahl in solchen Momenten nicht in den Keller, sondern setzte wieder bei „ungefährlicher“ Höhe ein, man verlor also nicht wirklich Vortrieb. Des weiteren konzentrierte ich mich darauf, etwas schneller zu schalten. Dadurch drehte der Motor nicht mehr so extrem hoch und ich hatte die „Aussetzer“ nicht mehr.
Zahmes Gefühl, volle Kraft
Sowohl die 250er als auch die 300er vermitteln mit der Benzineinspritzung ein eher zahmes Gefühl. Das klingt fast etwas langweilig, ist es aber nicht, denn die Leistung ist definitiv da. Die Leistungskurven gleichen denen der Vergaser-Maschinen, die 300er erzielt sogar noch etwas mehr Spitze und Überdrehfähigkeit. Das ganze lässt sich schwer beschreiben. Doch die vielen langen Auffahrten am Erzberg haben uns gezeigt, dass beide Triebwerke alles andere als schwach auf der Brust sind. Man hat nicht das Gefühl eines plötzlich einsetzenden Leistungseinsatzes. Dennoch sind die beliebten Vorteile von Zweitaktern geblieben. Am ehesten trifft vielleicht zu, dass die Motoren in den unteren Drehzahlen jetzt so sanft einsetzen und eine super Traktion erzeugen, so wie Viertakter und ab höheren Drehzahlen geht es gut vorwärts, so wie man es sowieso von den Zweitaktern kennt. Beide Motoren kann man sehr untertourig fahren und damit viel Grip auch beim Klettern auf rutschigem Untergrund erzeugen. Und mit beiden Motoren kann man es auch mit viel Spritzigkeit herrlich fliegen lassen.
Sparsam
Ein weiterer großer Vorteil der Benzineinspritzung ist die Sparsamkeit im Spritverbrauch. Im Durchschnitt verbrauchen die TPI Maschinen 20-30 Prozent weniger Benzin als die mit Vergaser bestückten Maschinen. Andreas „Letti“ Lettenbichler hat uns erzählt, dass er zusammen mit Sohnemann Manuel trainiert hat, der Papa mit dem TPI Bike, der Sohn mit dem Vergaser-Modell. Und Letti hat beim Tankstopp regelmäßig zwei bis drei Liter weniger nachfüllen müssen als Manuel. Das zeigte sich auch bei der Präsentation. Nach gut 1,5 Stunden Fahrt im Gelände waren die Tanks grade mal halb leer vor der Mittagspause. Damit haben die Zweitakter nun einen weiteren Vorteil von Viertaktern egalisiert. Dank der separaten Ölmischung entfällt auch das Vormischen des Benzins, also auch der Tankkomfort hat sich erhöht. Bei Rennen wie den Romaniacs, wo an den Tankpunkten Zwei- und Viertakter unterschiedliche Füll-Stationen haben, muss man nun allerdings dran denken, dass man sich bei den Viertaktern anstellt und nicht vorgemischten Sprit tankt!
250 oder 300?
Die 250 EXC TPI fährt sich unheimlich handlich. Besonders im kniffligen, technisch anspruchsvollen Gelände, auf verwinkelten Singletrails oder steilen Abfahrten ist sie wendiger und lässt sich schneller dirigieren als die 300er. Dabei entwickelt der Motor ausreichend Leistung für die vielen Auffahrten, die wir am Erzberg gefunden haben. Mit ihr lässt sich gut Traktion finden, auch wenn es rutschiger wird oder den Boden loser ist.
Die 300er ist dank der TPI angenehmer zu fahren als das 2017er Vergaser-Modell, da der Motor weicher und sanfter einsetzt. Doch dann baut sie viel Leistung auf, die einen auch die längsten Auffahrten gut hochzieht. Durch die etwas höhere Schwungmasse im Motor stabilisieren die Kreiselkräfte etwas mehr als bei der kleinen Schwester, wodurch sie etwas unhandlicher im direkten Vergleich wirkt. Dennoch lässt auch sie sich herrlich einfach im und durch das Gelände bewegen und spielerisch fahren.
Das neu abgestimmte Fahrwerk macht einen guten Eindruck, die Kinderkrankheiten der ersten WP Xplor Generation sind abgestellt worden. Die Gabel spricht gut an und baut eine schöne Progressivität auf. Für schnelle und schwere Fahrer liegt sie zwar noch auf der weichen Seite, aber das ist verkraft- und auch abstimmbar. Die Six Days Modelle sind bereits von Haus aus mit den Verstellern für die Federvorspannung von außen ausgestattet, die normalen EXC Modelle können damit aus dem Power Parts Sortiment nachgerüstet werden.
Preisfrage
Die Benzineinspritzung hat das Motorrad im Vergleich zum Vergasermodell drei Kilogramm schwerer werden lassen, dennoch bleiben die KTMs die leichtesten Maschinen im Vergleich zur Konkurrenz. Die neue Technologie macht sich mit einer Preiserhöhung von 450 Euro im Geldbeutel bemerkbar… dafür spart man Sprit und auch Zweitaktöl, vielleicht sogar fällige Reparaturen, die nötig werden, wenn man zu mager bedüst.
250 EXC TPI: 9.145 €
250 EXC Six Days TPI: 9.745 €
300 EXC TPI: 9.295 €
300 EXC Six Days TPI: 9.895 €
Fazit
Nach dem ersten, dreistündigen Fahreindruck würde ich sagen: Experiment gelungen! Die Benzineinspritzung ist nicht nur ein riesiger Komfortgewinn, da das Bedüsen des Vergasers sowie Vormischen von Benzin entfällt, sondern hat auch dafür gesorgt, das die Maschinen noch besser fahrbar geworden sind. Ein sanfterer Leistungseinsatz sorgt für bessere Traktion und wenn volle Leistung gefragt ist, haben die TPI-Modelle nichts gegenüber den Vergaser-Maschinen verloren, laut KTM Aussage hat die 300er sogar noch zugelegt. Weitere Vorteile sind ein reduzierter Spritverbrauch und dass kein Benzin mehr aus Überlaufschläuchen heraus läuft, sei es durch Erschütterungen oder wenn die Maschine kopfüber liegt. Sogar im Auto beim Transport entfällt nun der Benzingeruch des Motorrades! In meinen Augen kann man dafür einen leicht höheren Kaufpreis und etwas mehr Gewicht am Motorrad gut verkraften.
Ähnliche Artikel
KTM EXC TPI 2018 - Media Launch
Chefredakteur Sebastian Wolter ist in Eisenerz in der Steiermark um die neuen ...
15
May
2017
Graham Jarvis im Erzbergrodeo Interview.
Graham Jarvis erzählte im Erzbergrodeo Interview, über seine bisherigen ...
28
May
2019
Ausgabe #01
Ab 14.08. im Handel! BIKES 2015 - Was geht in der kommenden Saison bei Beta, ...
17
Dec
2013