ERZBERGRODEO 2024 – RICO PETZOLDS ABENTEUER AM HÄRTESTEN BERG DER WELT
Das Erzbergrodeo, eines der härtesten und prestigeträchtigsten Hardenduro-Rennen der Welt, zieht jedes Jahr Fahrer aus aller Welt an, die sich der Herausforderung stellen, den berüchtigten Erzberg zu bezwingen. In diesem Jahr war Rico Petzold einer der mutigen Teilnehmer, die sich den gnadenlosen Bedingungen stellten. Von der nervenaufreibenden Anmeldung über die intensiven Prologläufe bis hin zum entscheidenden Renntag erlebte Rico eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Sein Bericht bietet einen einzigartigen Einblick in die Strapazen und Triumphe, die das Erzbergrodeo auszeichnen. Begleitet ihn auf dieser spannenden Reise durch das härteste Endurorennen der Welt.
Hey Dirtbiker,
los ging es zum Erzbergrodeo am Mittwoch vor dem Rennen. Ich stieg direkt von der Meisterschule ins Auto und fuhr los. Für mich als Ossi, war es eine halbe Weltreise bis nach Österreich. Kurz vor Einlassende kam ich an und machte mich auf die Suche nach meinen Kumpels und dem Team, um meinen Schlafplatz einzurichten. Das Erzbergfahrerlager erinnerte an ein Festivalgelände. Das macht das Rennen auch so einzigartig. Große Freude kam dann auf, als mir gesagt wurde, dass es in unserem Fahrerlager nicht einmal Toiletten gibt. Aber das ist ja für alle gleich, oder? Also hieß es: Rennen fahren und Spaß haben. Die langjährige Erfahrung meines Teams zahlte sich aus und der Wassergraben um das Mannschaftszelt war schon gezogen – eine Maßnahme, die sich am Wochenende noch bezahlt machen sollte. Die Stimmung im Team und im gesamten Fahrerlager war typisch für den Anreisetag: feuchtfröhlich. Laute Musik und Burnouts gab es an jeder Ecke. Mit zunehmender Dunkelheit wurde es allerdings ruhig im Fahrerlager. Wahrscheinlich ging der Einlass in diesem Jahr zu schnell und die Jungs und Mädels hatten zu früh mit ihrer Party angefangen. Untypisch ruhig ging es in die erste Nacht am Berg.
„Ich dachte kurz, dass ich bei einem Hobbyrennen in der Einsteigerklasse teilnehme und nicht bei einem Lauf zur Weltmeisterschaft“
Am nächsten Morgen sah das Wetter vielversprechend aus, und ich machte mich nach dem Frühstück auf den Weg zur Anmeldung. Zeitlich hatte ich es perfekt getroffen, da die Schlange extrem kurz war. An der ersten Station der Anmeldung musste ich direkt 100 Euro Pfandgebühr für den Transponder abdrücken. Als mir dann dieser Plastiktransponder mit Armband gegeben wurde, dachte ich kurz, dass ich bei einem Hobbyrennen in der Einsteigerklasse teilnehme und nicht bei einem Lauf zur Weltmeisterschaft. Mir wurde gesagt, dass ich mein Geld nur zurückbekomme, wenn ich beides, also Transponder und Armband, zurückgebe. Leicht verwirrt holte ich mir die Prologstartnummer und mein wohlverdientes, aber viel zu süßes Energiegetränk ab und marschierte hinaus. Die Nummern klebte ich direkt aufs Motorrad und ging zur technischen Abnahme. Bei der Abnahme wird eigentlich nur die Rahmennummer aufgeschrieben und ein Bild vom Fahrer gemacht, um sicherzustellen, dass auch der richtige Fahrer an den Prologstart geht. Anschließend sah ich mir noch die Stände rund um das Festzelt an und konnte mir einige unnütze Werbegeschenke sichern.
Ab 12 Uhr war es möglich, die Prologstrecke mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu besichtigen. Da ich jede Strecke fahre, die länger als mein Motorrad ist, kam hier nur das Fahrrad in Frage. Glücklicherweise konnte ich meinem Kumpel das E-Bike abschwatzen, sodass ich nicht mit meinem Drahtesel auf den Berg strampeln musste. Der Blick in den Himmel zeigte, dass es von Vorteil war, eine Regenjacke einzupacken – eine gute Entscheidung, denn es dauerte nicht lange, bis es anfing zu regnen. Mit dem Fahrrad den Prolog abzufahren, ist immer eine coole Sache, da man einen ersten Eindruck von der Strecke bekommt. Schnell wurde klar, dass der Prolog ähnlich anfängt wie im letzten Jahr. Allerdings war direkt nach dem Start ein Doppelsprung aufgeschüttet, der bei einigen Zweifel aufkommen ließ, ob es wirklich eine gute Idee war, sich hier anzumelden. Ab der Hälfte des Prologs wurde aber deutlich, dass die Veranstalter auch wieder Vollgaspassagen eingebaut hatten, wie man sie aus den letzten Jahren kennt. Die engen Wege im aufgeschütteten Wall wurden zu breiten Trassen, auf denen sonst nur die großen Maschinen des Bergbaus fahren. Diese Stelle musste man sich gut einprägen, denn ab hier hieß es: Vollgas bis zur höchsten Stelle des Prologs, nur durch Kurven und Reifenschikanen begrenzt. Der Rest bis ins Ziel ging leicht bergab im gewohnten Wall.
Den restlichen Tag verbrachten wir im Fahrerlager und checkten das Motorrad nochmal durch, um alles für den Prolog vorzubereiten. Abends fand der Rocket Ride statt, bei dem die Fahrer so lange gegeneinander einen Berg hochfahren, bis einer gewinnt. Bei dem schlechten Wetter zog ich es vor, nicht zuzuschauen und stattdessen ins Festzelt zu gehen. Wenn man am Erzberg ist, muss man sich die Chaoten im Festzelt anschauen. Für Hobbyarchitekten ist die Ingenieurskunst der Bierbankrutschenbauer eine Inspiration. Da ich am nächsten Tag relativ früh zum Prologstart musste, konnte ich mir die Show aber nicht allzu lange anschauen. Zum Glück wurde ich ehrenvoll von meinem Team im Festzelt vertreten.
Am nächsten Morgen war ich früh wach und konnte mich in aller Ruhe auf den Tag vorbereiten, während der Rest des Teams noch genüsslich im Bett lag. Mein Fokus lag auf dem Rennen, und ich hatte richtig Bock, den Berg hochzuheizen. Erstaunlich schnell war das gesamte Team wach und gesellte sich zu mir, um meinen Prologlauf nicht zu verpassen. Ich zog mich an und bereitete mich vor. Ab jetzt musste ich als Fahrer sehr fokussiert sein, denn der Prolog beim Erzberg ist enorm wichtig für die Startaufstellung. Es wird in Reihen aus jeweils 50 Fahrern ins Hauptrennen gestartet und jeder will natürlich einen Platz in der ersten Reihe. Für einen perfekten Prologlauf spielt nicht nur fahrerisches Können eine zentrale Rolle, sondern auch eine Portion Glück ist wichtig. Viele Faktoren wie die Startzeit, das Wetter und die Streckenverhältnisse sind ausschlaggebend. Außerdem ist der Prolog extrem gefährlich und das Risiko, sich zu verletzen, ist hoch. Nachdem ich mich und das Motorrad warmgemacht hatte, fuhr ich zum Prologstart. Mit Startnummer 84 konnte ich mir eine perfekte Ausgangslage sichern. Bei den ersten 100 Fahrern wird noch sehr auf die Reihenfolge geachtet und man muss keine Angst haben, auf zu viele langsame Fahrer aufzulaufen. Die Abstände zwischen den Fahrern sind auch größer. Leider wurde das Wetter immer schlechter und es fing wieder an zu regnen. Die Wolken hingen immer tiefer und der Berg war kaum noch zu sehen.
Kurz vor der Startrampe wird die Rahmennummer und das Fahrergesicht überprüft. Danach drücken sich fast alle Fahrer noch den letzten Angsttropfen aus der Blase und fahren auf die Startrampe. Der Blick auf die rote Ampel steigert die Aufregung nochmal und man ist spätestens hier voll im Fokus. Die Ampel springt auf grün! Sobald man die Zeitschleife durchfährt, läuft die Uhr. Ab hier gilt es, so schnell und fehlerfrei wie möglich den Berg hochzufahren. Die ersten Streckenabschnitte meisterte ich perfekt. Umso höher ich kam, desto dichter wurde der Nebel. Als die Vollgastrassen kame, war der Nebel dann extrem dicht. Aber für einen Startplatz in der ersten Reihe musste ich trotzdem Vollgas geben und auf volles Risiko gehen. Das ging auch erstmal gut, bis ich dann über eine Kurve hinausschoss und ein gekennzeichnetes Durchfahrtstor verpasste. Um keine Zeitstrafe zu riskieren, drehte ich um und fuhr durch das Tor. Der Rest bis zum Zielstrich lief dann reibungslos. Ich war mit meinem Lauf – bis auf den einen üblen Verbremser – sehr zufrieden. Von den Erzberg-Guides wurden wir dann als Gruppe nach unten begleitet. Im Fahrerlager angekommen konnte ich von meinem Lauf berichten und über das Live-Timing meine Zeit einsehen. Für den ersten Moment sah die Zeit gar nicht schlecht aus und in der Theorie war ich in der ersten Reihe. Allerdings starteten nach mir noch über 1000 Fahrer, sodass mir klar war, dass es eine enge Nummer werden würde. Der Prolog dauerte bis in die Abendstunden. Nach einigen Stunden war aber schon klar, dass es wahrscheinlich nicht für die erste Startreihe reichen würde. Also hieß es: Klamotten zum Trocknen aufhängen und das Motorrad für den nächsten Tag fertig machen.
Am nächsten Morgen war das Wetter vielversprechend und die Prognose gut. Es sollte nicht regnen und es hingen auch keine Wolken am Berg. Nach meiner Morgenroutine machte ich mich auf den Weg zum Start. Dort angekommen fiel mir auf, dass deutlich weniger Fahrer auf den Start für den zweiten Prologlauf warteten. Leider hatten sich am Vortag bereits einige Fahrer verletzt und konnten deshalb nicht an den Start gehen. Andere scheuten das Risiko einer Verletzung, da sie mit ihrer Zeit bereits zufrieden waren. Dementsprechend war die Wartephase viel kürzer und die Anspannung stieg nicht so weit. Nach dem Start fiel mir sofort auf, dass die Strecke in einem deutlich schlechteren Zustand war als am Vortag. Es hatten sich riesige Löcher ausgefahren und tiefe Spuren machten die Strecke anspruchsvoller. Besonders die Passagen, in denen man normalerweise mit Vollgas fahren kann, waren extrem schwierig. Mit ein paar Fehlern schaffte ich es aber sicher ins Ziel. Körperlich war ich am zweiten Prologtag aber deutlich stärker gefordert als am Tag davor. Wieder im Fahrerlager angekommen wartete ich die Endergebnisse ab. Am Ende reichte es für Platz 54. Das bedeutete die zweite Startreihe. Letztlich war ich sogar froh darüber, denn so hatte ich am Renntag deutlich weniger Stress. Mein Team und ich schauten uns im Festzelt die Siegerehrung an. Die erste Startreihe wurde besonders geehrt und die Fahrer wurden einzeln auf die Bühne gerufen, um sich dort ihre Startnummer abzuholen. Die besten Zeiten lagen bei knapp über 9 Minuten. Danach verbrachten wir den Rest des Tages im Fahrerlager und bereiteten uns auf das Hauptrennen vor.
„Als der Startschuss fiel, gab es kein Zurück mehr. Ich erwischte einen super Start und konnte auf den ersten Metern einige Fahrer überholen.“
Am Rennsonntag wurde ich in aller Frühe durch Regen wach. Ich schnappte mir meinen Regenschirm und lief durch das Fahrerlager. Die Stimmung war angespannt. Viele Fahrer und Teams schauten mich fragend an – würde das Renne so überhaupt stattfinden können? Laut Wetterprognose sollte es aber schnell aufhören zu regnen und danach trocken bleiben. Bis zum Start war der Regen dann wirklich verschwunden und das Wetter bot perfekte Bedingungen für das Rennen.
Da ich in der zweiten Reihe starten durfte, konnte ich den Morgen entspannt angehen und meine Anmeldung in aller Ruhe durchführen. Nach der Anmeldung ging es zurück ins Fahrerlager, wo mein Team bereits mit dem Motorrad auf mich wartete. Nachdem ich mich angezogen hatte, fuhren wir gemeinsam Richtung Startaufstellung. Die Startaufstellung ist traditionell im Stadlertal, das in der Regel das Hauptzelt für das Erzbergrodeo beherbergt. Die Anspannung war groß und ich merkte, wie fokussiert ich war. Hier ist keine Zeit für Fehler und ich musste auf alles vorbereitet sein. Es dauerte nicht lange, bis die erste Reihe gestartet war und auch meine Reihe aufgerufen wurde. Als der Startschuss fiel, gab es kein Zurück mehr. Ich erwischte einen super Start und konnte auf den ersten Metern einige Fahrer überholen. Doch schon bei der Auffahrt zu Ludwigsland kam ich in einen Stau und musste warten. An vielen Stellen bildeten sich Engstellen, die von den Fahrern nur schwer bewältigt werden konnten. Die Streckenposten sorgten dafür, dass wir nur im Minutentakt durchgelassen wurden, um noch größeres Chaos zu verhindern. Nachdem ich Ludwigsland überwunden hatte, ging es relativ flüssig weiter, bis ich zum nächsten Anstieg kam. Hier musste ich durch einen dichten Wald und der Anstieg war extrem steil und rutschig. Ich kämpfte mich durch, während mein Team mich lautstark anfeuerte. Das Gefühl, das gesamte Team hinter sich zu haben, gab mir zusätzlichen Auftrieb. Schließlich erreichte ich Carl’s Dinner, den härtesten Abschnitt des Rennens. Die Strecke bestand aus riesigen Steinen und war extrem schwer zu fahren. Es war kaum möglich, das Motorrad zu manövrieren, ohne ständig hängen zu bleiben. Es kostete mich viel Zeit und Kraft, mich durch das steinige Gelände zu kämpfen. Kurz nach Checkpoint 12 beschädigte ich dann meinen Kühler. Mit den mitgeführten Kabelbindern konnte ich ihn notdürftig reparieren. Das kostete mich etwa 20 Minuten. Mit einem stark angeschlagenen Kühler kämpfte ich mich weiter durch den Berg. Am Ende verpasste ich Checkpoint 13 um nur 36 Sekunden. Völlig erschöpft und enttäuscht, dass ich es nicht bis ins Ziel geschafft hatte, aber dennoch stolz auf meine Leistung und die Unterstützung meines Teams, kehrte ich ins Fahrerlager zurück.
Trotz der Enttäuschung war das Erzbergrodeo 2024 ein unvergessliches Erlebnis. Die Herausforderung, die Teamarbeit und die Atmosphäre machten das Rennen zu einem einzigartigen Abenteuer. Schon jetzt plane ich meine Teilnahme im nächsten Jahr und setze mir das Ziel, in die erste Startreihe zu kommen. Bis dahin bereite ich mich auf mein nächstes großes Abenteuer vor: die Teilnahme an den Romaniacs in der Goldklasse.
Text: Rico Petzold Foto: Richard Heineke
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